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Sie traf Albert Einstein

Interview mit Dorothea Karus, 2008

Stand 19.11.2016 | aktualisiert 19.06.2020 | 12.09.2022  

Ist Albert Einstein in der Schule "sitzengeblieben"?

Nach meinem Umzug von Wiesbaden nach Selters/Taunus lernte ich vor Ort weitere liebenswerte und interessante Menschen kennen, was eine Bereicherung war, zum Beispiel Dorothea Karus aus ☞ Hünfelden-Ohren (geb. 1910), die noch als Schulmädchen den ☞ NobelpreisträgerAlbert Einstein 1922 getroffen hatte, eine Anekdote, die ich mir mehr als einmal von ihr erzählen ließ!

In ☞ Limburg an der Lahn war die weißhaarige und bewundernswert rüstige sowie geistig völlig klare 98-jährige Dorothea Karus bekannt und beliebt – erst im hohen Alter hatte sie sich Jehovas Zeugen angeschlossen und stand regelmäßig mit dem Wachtturm in der Hand dort auf der Straße.

Dorothea Karus war in den 1920-er Jahren in ☞ Halberstadt (Sachsen-Anhalt) auf die ☞ höhere Mädchenschule (Lyzeum) gegangen, dessen Direktor mit Namen "Lemang" (Leman ?) ein alter Studienfreund Einsteins war; [beide stammten aus dem ☞ Elsaß und hatten auch, wie sie sich zu erinnern meint, in Paris studiert*].

Anläßlich eines privaten Besuches des inzwischen weltberühmten Freundes im Jahre 1922 – dieser hatte kurz zuvor (☞ 1921) den ☞ Nobelpreis für Physik erhalten – ließ der Direktor alle Schülerinnen in der ☞ Aula zusammenkommen, damit sie die einmalige Gelegenheit erhalten, den großen Physiker über seine ☞ Relativitätstheorie, die Einstein-Gleichung ☞ E=mc2 oder die Energie-Masse-Relation referieren zu hören. Frau Karus erinnerte sich noch sehr gut daran, wie Albert Einstein vor allen Versammelten erklärte, dass ein Maikäfer so stark wie ein Elefant sei, wenn man das nur relativ sehen würde!

Nach seinen Ausführungen lud der Physiker die versammelte Mädchenschar ein, ihm Fragen zu stellen. Die Mädchen waren darüber nicht verlegen, stellten mehrere Frage, wobei jemand die Frage aufwarf, ob er, Herr Einstein, denn erklären könne, woraus Brot gebacken werde?

Der Nobelpreisträger nahm die Frage der Schülerin nicht übel. Albert Einstein wusste dann die ☞ Bestandteile eines Brotes aufzuzählen – bis auf das Mehl, das er dabei vergaß!

Darauf lachten alle herzhaft, Einstein eingeschlossen, der überhaupt nicht verlegen war, sondern meinte, dass dies kein Wunder sei, da er ja zweimal in der Schule sitzengeblieben* war!


(Stephan Wrobel, Gespräch mit Frau Dorothea Karus aus Hünfelden-Ohren am 16.3.2008.)

* Anmerkungen zu "beide stammten aus dem Elsaß und hatten in Paris studiert" und "zweimal in der Schule sitzengeblieben":

Bei "beide stammten aus dem Elsaß und hatten in Paris studiert" verwechselte Dorothea Karus ohne Zweifel Albert Einstein mit ☞ Albert Schweitzer, der aus dem Elsaß stammte und in Paris Orgel studierte. (Albert Einstein erhielt 1929 von der ☞ Universität Paris die ☞ Ehrendoktorwürde.) Wahrscheinlich kannte der Direktor sowohl Albert Einstein als auch Albert Schweitzer persönlich aus Studienzeiten, erzählte davon, sodass es zu den Verwechslungen in der Erinnerung von Frau Karus kommen konnte, was keineswegs den Reiz der Anekdote mit Albert Einstein insgesamt schmälert! Den Einschub nimmt Frau Karus hier erzählerisch vor, um zu begründen, warum es dem Direktor vergönnt ist, Albert Einstein zu Besuch zu haben – richtig ist, dass sich beide Männer persönlich kannten.

Dass Albert Einstein in der Schule "sitzengeblieben" sei, wird sicherlich mit Recht ☞ widersprochen, allerdings gebe ich hier nur das wieder, was Frau Karus aus der Erinnerung erzählte, möglicherweise Wörter aus der Rede Einsteins durch Synonyme ersetzte. Falls also Albert Einstein tatsächlich damals in Halberstadt vom zweimaligen (was auffällig ist) "Sitzenbleiben" gesprochen hat und damit keinen oder ohne "Abschluß" meinte (vgl. ☞ Versetzung), wobei Frau Karus möglicherweise in der Erinnerung von sich aus das Wort "Schule" hinzufügte, dann wollte Albert Einstein damit scherzhaft sagen – was eine Pointe der Anekdote ist –, dass während seiner Lern- bzw. Schul- oder Ausbildungszeit nicht alles glatt oder "normal" gelaufen ist. Damit könnte er die Aufnahmeprüfung in der später so genannten ☞ ETH Zürich, die er 1895 nicht bestand, gemeint haben. Bekannt ist auch, dass Albert Einstein das ☞ Gymnasium 1894, also ein Jahr zuvor, ohne Abschluss (!) verließ und später die ☞ Matura nachholte. Falls also Albert Einstein die beiden Ereignisse als "Sitzenbleiben" etwas übertrieben und in scherzhafter Weise meinte, dann könnte der große Physiker damit selbst zu dem Gerücht von seinem angeblichen "Sitzenbleiben" in der Schule beigetragen haben! (Zur kritischen Bewertung der durchaus subjektiven Erinnerungen von Zeitzeugen, vgl. ☞ Oral History und ☞ Autobiografie.)


Foto: Der 72-jährige Albert Einstein steckt einem Journalisten die Zunge herraus (1951), bald ein beliebtes Postkartenmotiv, das Einstein selbst initiiert hatte (indem er den Reporter um einen Fotoabzug bat) und dann gern an Freunde versandte.








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Bis 2008: West-Berlin – Wiesbaden & Selters/Taunus in Hessen, 1996 Brooklyn N.Y. , 1996–2008 Archiv-, Geschichts- und Gedenkarbeit sowie PR im In- und Ausland. Seit 2009: Schwäbische Alb (Sonnenbühl bei Reutlingen in Baden-Württemberg) – mein Lebensraum seit 2011: EuRegio Freilassing/Salzburg – Lkrs. "Berchtesgadener Land" (BGL) – Traunstein. (Vgl. Rubrik "
Rückblicke".)